Bad Nauheim ist neben vielen anderen interessanten Merkmalen weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt für seine Gradierwerke, früher auch Leckwerke genannt.
Während meines diesjährigen Aufenthaltes habe ich gleich mehrere solcher ‚Riesen‘ entdeckt. Gewaltig ragen sie mitten in dieser zierlichen Stadt in die Höhe und spenden den Besuchern salzhaltige Luft, die außerdem noch angenehm kühl ist. In Bad Nauheim wurden sie z.B. in Parks integriert, die Besucher können sie während eines Spaziergangs umrunden, auf Bänken oder sogar in Strandkörben vor ihnen sitzen, die salzartige Luft einatmen und somit den Lungen etwas Gutes tun.

Die Leckwerke, wie sie früher genannt wurden, dienten der Salzgewinnung. Die Nauheimer Saline soll im 18. Jahrhundert die modernste Salzfabrik gewesen sein.
Aber wie genau funktioniert denn nun so ein Leckwerk/Gradierwerk? Ich habe jemanden gefunden, der es mir erklärt hat.
Zunächst wird das Wasser bis ganz oben in die Gradierwerke und Siedehäuser gepumpt. Die Energie hierfür wurde aus den zahlreichen Wasserrädern gezogen.
Das Wasser wurde z.B. aus extra angelegten Staubecken, dem Großen Teich sowie den Waldteichen über künstlich angelegte Gräben zu den Wasserrädern geleitet.

Der in Bad Nauheim angelegte Solgraben ist schätzungsweise zwischen einem und 1,5 km lang.


Wie auf den oberen Bildern zu sehen ist, beginnt er an der Lindenstraße an dem Park, in dem das frühere Inhalatorium steht. Die Sole stammt aus dem ‚Großen Sprudel‘ aus einer Tiefe von ca. 150 Metern. Der künstlich angelegte Solgraben hat seinen Lauf von der Lindenstraße in die Goethestraße bis in Richtung Gradierwerk an der Schwalheimer Straße, teilweise verläuft er unterirdisch. In der Nähe des Gradierwerk III mündet er in dem 1850 angelegten Solebecken.

Die Gradierwerke bestehen aus einem Holzbau, der mit Reisigbündel ausgefüllt ist. Gerne wird hierfür Schwarzdorn genommen. Ist das Wasser einmal oben angekommen, fließt es diese riesigen Reisigwände wieder herab. Bei diesem Vorgang verdunstet ein großer Teil des Wassers. Das Ergebnis dieses Vorgangs ist in den Auffangbecken unterhalb der mit Reisig gefüllten Wände deutlich zu sehen.

Durch den Verdunstungsprozess wird die Luft rund um die Gradierbauten mit den Salzkristallen angereichert. Eine Wohltat für alle, die unter Erkrankungen der oberen Atemwege leiden.
In Bad Nauheim befinden sich fünf Gradierbauten, die eine Gesamtlänge von fast 650 Metern aufweisen.

Mittlerweile ist es so, dass Gradierwerke tatsächlich nur noch zu gesundheitlichen Zwecken dienen, den eigentlichen Sinn der Salzgewinnung erfüllen sie nicht mehr. Dies ist wohl auch der Grund, warum Gradierwerke häufig nicht mehr in Betrieb sind.

Als ‚Lange Wand‘ werden die Gradierbauten IV und V auch bezeichnet, in ihrer Mitte befindet sich ein alter Turm, der einst zu einer Windmühle gehörte. An dieser ‚Langen Wand‘ verlief die Beförderung des Wassers etwas anders. Die Windmühle hat die Pumpen bewegt, um das salzhaltige Wasser auf die Gradierwerke zu befördern.
Die Sole wurde sodann weiter zu den Siedehäusern gepumpt und dort so lange erhitzt, bis das Salz auskristallisiert war.

Bad Nauheim bietet für die wanderfreudigen Besucher den Salz-Wanderweg an. Diesen könnt ihr teilweise mit mir erleben, wenn ich euch über die Wanderung zum „Schwalheimer Wasserrad“ berichte.
In meinem nächsten Bericht nehme ich euch mit auf einen Streifzug durch Bad Nauheim.
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